"Das Lehrmodell ist einzigartig" – Prof. Reinhold R. Geilsdörfer zum 50-jährigen Jubiläum
Nach 30 Jahre als Professor, Studiengangsleiter, stellvertretender Direktor und Rektor an der DHBW Mosbach war Prof. Reinhold R. Geilsdörfer von 2010 bis 2016 Präsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Seit Februar 2016 ist er als Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung für den gesamten Hochschulbereich der Stiftung verantwortlich. Im Interview betrachtet er die Entwicklung des dualen Studiums.
Herr Geilsdörfer, wie sind Sie in Verbindung mit der DHBW gekommen?
Nach Abschluss meines Studiums übernahm ich einen Lehrauftrag im Studiengang Medizinische Informatik an der Hochschule Heilbronn, für fünf Jahre. Dabei habe ich festgestellt, dass mir die Arbeit mit jungen Menschen Freude bereitet und ich gerne Wissen vermittle. Aus diesem Grund habe ich mich danach auf eine Stelle an der frisch gestarteten Berufsakademie in Mosbach beworben, mit achtzehn Studierenden. Ich war der dritte Beschäftigte. Den Anfang machte der Studiengang Betriebswirtschaftslehre, der Bedarf der Unternehmen ging jedoch ganz stark in den technischen Bereich. Deswegen wurde der Studiengang Maschinenbau etabliert.
Das Interessante in Mosbach war ja, dass wir zunächst in Räumlichkeiten der Steiger Mission untergebracht waren. Das Gebäude war ursprünglich eine Wohnmöglichkeit für junge Menschen, die das dortige Gymnasium besuchten. Damals gab es nur Schlafsäle, die dann in Hörsäle umgebaut wurden. Wir mussten anfangs die Möbel für die ersten Seminarräume zusammensuchen – das waren Leihmöbel, die wir vom Landkreis bekommen haben. Eine spannende Zeit, die man sich heute so gar nicht mehr vorstellen kann. Innerhalb von drei Jahren wurden wir dann von einer Außenstelle Mannheims zur eigenständigen Berufsakademie und erweiterten unser Angebot. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir in Mosbach Alleinstellungsmerkmale schaffen können. So ist beispielsweise der Studiengang Holztechnik entstanden, später kam Metallbau hinzu und daraus hat sich dann das Bauwesen entwickelt. Insgesamt war ich 30 Jahre in Mosbach, als Professor, als Studiengangsleiter, stellvertretender Direktor und als Direktor beziehungsweise Rektor. Zuletzt war ich dann Präsident der DHBW.
Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Hochschule und dem dualen Studienmodell?
Das Lehrmodell der DHBW (damals noch Berufsakademie) ist wirklich einzigartig, mit Unterricht in kleinen Gruppen anstelle von großen Frontalveranstaltungen. Als Dozent spürt man sofort, dass dort junge Menschen sind, die bereits genau wissen, was sie wollen. Es hat großen Spaß gemacht, mit solch motivierten Studierenden zu arbeiten. Das ist auch eine der Besonderheiten der DHBW: Sie spricht junge Menschen an, die sehr zielorientiert sind. Man geht nicht an die Duale Hochschule, wenn man eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen will, sondern Karriere in einem Unternehmen machen möchte und schnell ans Ziel kommen will. Sehr viele Absolventinnen und Absolventen haben mittlerweile Top-Führungspositionen inne. Die Erfahrung zeigt, dass die Absolvent*innen der DHBW gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, weil sie so vielseitig einsetzbar sind.
Die Entwicklung unserer Partnerunternehmen war zudem eine sehr langfristige. Anfangs waren es eher kleine und mittelständische Industrieunternehmen. Die sind mit der Zeit größer geworden, anspruchsvoller, brachten sich aber auch stärker ein. Zugleich ist die Beteiligung der Wirtschaft gestiegen – schon immer eine ganz große Besonderheit der DHBW. Sie sorgt dafür, dass die DHBW immer auf dem aktuellen Stand ist und genau die Inhalte vermittelt, die auch auf dem Markt gebraucht werden; praxisrelevant eben. Die DHBW wollte von Beginn an eine entsprechende Breite bieten und das ist ihr über die Jahre hinweg sehr gut gelungen.
Welche Rolle spielt die DHBW Ihrer Meinung nach in der heutigen Bildungslandschaft?
Die DHBW hat eine bedeutende Rolle in der deutschen Bildungslandschaft. Sie hat selbst viele Veränderungen angestoßen und ausgelöst. Man kann sagen, sie „zwingt“ viele Hochschulen, sich stärker im Praxiskontext zu bewegen. International ist das duale Studienmodell mittlerweile auch sehr gefragt. Es ist ganz klar, dass wir duale Studiengänge brauchen, um akademisch qualifizierte und zugleich praxisorientierte Absolventinnen und Absolventen auszubilden.
Was glauben Sie, sind die wichtigsten Errungenschaften der DHBW in den letzten 50 Jahren?
Die DHBW hat sich zu einer hoch effektiven Hochschuleinrichtung entwickelt. Keine andere Einrichtung weist eine vergleichbar hohe Effektivität auf. Mehr als 11.000 Absolvent*innen gehen jedes Jahr aus der DHBW hervor, das ist beachtlich. Sie hat es geschafft, die duale Ausbildung, die ja von großer, auch historischer Bedeutung ist, in den Hochschulbereich zu überführen und hat die Hochschullandschaft damit nicht nur beeinflusst, sondern nachhaltig geprägt.
Was waren Ihre denkwürdigsten Erlebnisse oder Momente während der Zeit an der DHBW?
Es gab viele denkwürdige Momente und Entwicklungen, die für mich eine ganz besondere Bedeutung haben. Beispielsweise die Imageveränderung der Berufsakademie in Mosbach. Als wir damals das erste eigene Gebäude bekommen haben und zum eigenen Standort wurden, hat das das Ansehen dort sehr gestärkt. Ich denke aber auch an die Ernennung zur Hochschule der DHBW im Jahr 2009. Der Wandel von der Berufsakademie zur Hochschule hat die Wahrnehmung und Bedeutung der DHBW maßgeblich verändert. Die DHBW wäre nicht die Einrichtung, die sie heute ist, wenn sie Berufsakademie geblieben wäre.
Auch an die Einrichtung der Masterstudiengänge erinnere ich mich noch gut. Das stieß anfangs auf große Widerstände und wenig Begeisterung in der Wirtschaft. Letztendlich hat es das Image der DHBW jedoch grundlegend verändert und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Später hat man dann alle dualen Masterstudienangebote unter einem Dach gebündelt und das DHBW CAS gegründet – anfangs auch ein Wagnis, denn es musste ohne staatliche Finanzierung auskommen und selbst Geld verdienen. Das war in der Hochschullandschaft eine Besonderheit. Die Dieter Schwarz Stiftung hat das Projekt damals gerne gefördert. Mittlerweile hat das CAS sich sehr gut entwickelt, die Kernbereiche arbeiten zwischenzeitlich kostendeckend.
Ich erinnere mich auch sehr gerne an das 40-jährige Jubiläum, das wir in Mannheim gefeiert haben. Man hat den Stolz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre Einrichtung richtig gespürt; eine hochemotionale Veranstaltung.
Welche Vision haben Sie für die DHBW im Jahr 2074, also 100 Jahre nach ihrer Gründung?
Ich bin überzeugt, dass sich die DHBW weiterhin positiv entwickeln wird. Mein Wunsch ist, dass sie dabei ihre Wurzeln nicht vergisst – und die liegen in der Kooperation mit Unternehmen. Es geht bei einer Hochschule natürlich um Forschen und Lehren, die Kooperationen mit den Partnern muss daneben immer hohe Priorität haben. Welche Konsequenzen Veränderungen für die Einrichtung bedeuten, muss man dabei immer bedenken.
Weiterentwickeln muss sich die DHBW aber in jedem Fall - neue Studiengänge und Lehrmodelle einführen. Künstliche Intelligenz wird die Lehre verändern, das steht ganz außer Frage. Die DHBW war schon immer eine Einrichtung, die neue Modelle eingeführt und ausprobiert hat, das bietet sich aufgrund der kleinen Gruppen an und hat bisher gut funktioniert. Dieses Lehrmodell fortzuführen, wird die Herausforderung sein.