"Interessiert hat mich das duale Studium sofort" – Dr. Wolf Bonsiep zu 50 Jahren duales Studium
Dr. Wolf Bonsiep ist seit 2016 Vorsitzender des DHBW CAS-Rats. Der promovierte Dipl.-Kaufmann leitet die Aus- und Weiterbildung der Robert Bosch GmbH am Standort Stuttgart-Feuerbach. Außerdem verantwortet er die Aus- und Weiterbildung im Geschäftsbereich Diesel Systems, dem zweitgrößten Geschäftsbereich von Bosch, und ist Mitglied des Stuttgarter Hochschulrats der DHBW. Im Interview blickt er auf 50 Jahre duales Studium.
Wie sah Ihr Weg zur DHBW aus?
Ich bin 2007 bei der Robert Bosch GmbH eingestiegen und seither dort unter anderem für die Ausbildung unserer Auszubildenden und dual Studierenden zuständig. In meiner Abteilung war auch ein dualer BWL-Student im Einsatz, durch ihn habe ich das duale Studienmodell erstmals näher kennengelernt. Das war mein erster Kontakt mit der DHBW – damals noch Berufsakademie.
Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Hochschule und dem dualen Studienmodell?
Das duale Studium war für mich ein völlig neues Modell. Ich selbst habe an einer „normalen“ Universität in Bayern studiert und dort dann auch promoviert – fernab von Dualität.
Interessiert hat mich das duale Studium sofort, weil ich die Innovationskraft erkannt habe, die es für ein Unternehmen mit sich bringt. In meinen Augen ist es ein geniales Modell. Unternehmen zu suchen, bei denen man ein Praktikum absolvieren konnte, war während meines Studiums an der Universität aufwändig. Es war jedoch die einzige Möglichkeit, überhaupt an Praxiserfahrung zu gelangen. Das Problem stellt sich im dualen Studium natürlich nicht. Gerade in Wirtschafts- und Technikstudiengängen bietet das Studium durch seine Praxisnähe und den hohen Bezug zu einem Unternehmen einen großen Vorteil.
Auch im sozialen Bereich ist das duale Studienmodell sehr wertvoll. Meiner Meinung nach sollte das duale Studium wegen dieses intensiven Praxisbezugs auch in der Pädagogik Einzug halten. Aber dazu später mehr…
Welche Rolle spielt die DHBW Ihrer Meinung nach in der heutigen Bildungslandschaft?
Ich glaube, dass die DHBW ein ganz wichtiger Partner für die Unternehmen in Baden-Württemberg ist. Als praxisorientierte Hochschule mit regionalem Bezug ist sie außerdem ein wichtiger Teil der gesamten Hochschullandschaft in Baden-Württemberg. Dank ihrer neun Studienakademien und Außenstellen versorgt sie alle Regionen mit akademischer Bildung. Der Campus in Horb, beispielsweise, ist wichtig für die ganze Umgebung. Viele Schulabgänger*innen, die studieren möchten, bleiben dadurch in der Gegend und ziehen nicht für das Studium weg. Wenn es die DHBW mit ihren regionalen Studienmöglichkeiten nicht gäbe, würden viele Menschen in Großstädte wie Stuttgart und Mannheim abwandern.
Um aber nochmals auf die Rolle in der Bildungslandschaft zurückzukommen: Die DHBW ergänzt die Hochschullandschaft durch das spezielle Lehrmodell und praxisnahe Forschung.
Was waren Ihre denkwürdigsten Erlebnisse oder Momente während der Zeit an der DHBW?
Besonders positiv in Erinnerung geblieben sind mir die ersten Einsichten zum dualen Studium. Ab 2010 war ich dann als Mitglied im Hochschulrat an der DHBW Stuttgart tätig und habe dort die vielen Facetten des dualen Modells kennengelernt und gesehen, welche Potenziale in dieser Hochschule für die dualen Partner schlummern. Die duale Hochschullehre ist oftmals viel anspruchsvoller, denn die Studierenden sind durch die durchgängige Praxiserfahrung wesentlich anspruchsvoller als es an anderen Hochschulen der Fall ist. Das duale Lehrmodell ist damit ein guter Ansatzpunkt für Master- und Weiterbildungsangebote. Es war für mich eine tolle Erfahrung bei der Gründung des DHBW Center for Advanced Studies (CAS) mitzuwirken und bis heute die Entwicklung des CAS zu begleiten und zu unterstützen.
Eine andere Beobachtung ist jedoch auch, dass sich die DHBW die Nachteile anderer Hochschulen abgeschaut hat, die ich in meiner Uni-Zeit in Senaten und Fachbereichsräten erlebt hatte. Die Abstimmungsprozesse werden durch die vielen hochschulrechtlichen und politischen Fragestellungen verlangsamt. Ich frage mich schon, warum wir als unternehmerische Hochschule Professuren nicht zügiger besetzen können. Und wir müssen aufpassen, dass die dualen Partner vor lauter Hochschulfragen nicht aus dem Fokus geraten.
Was bedeutet das 50-jährige Jubiläum der DHBW für Sie persönlich?
Zunächst einmal bin ich stolz darauf, Ausbildungsleiter bei Bosch zu sein. Bosch war eines der Gründungsunternehmen der Berufsakademie im Jahr 1974 und kann mittlerweile auf eine lange Tradition mit dem dualen Studium zurückblicken. Bis heute stellen wir mit die höchste Anzahl an Studierenden der DHBW. Manchmal frage ich mich: „Warum sind wir nicht früher draufgekommen, solch ein praxisnahes Studium anzubieten?“ Die klassischen Hochschulen haben oft eine Jahrhunderte alte Tradition. Aber wer kann schon sagen, dass er damals aktiver Teil bei der Entstehung einer Hochschule war, die sicherlich noch hunderte Jahre vor sich hat?
Welche Hoffnungen und Wünsche haben Sie für die Zukunft der DHBW?
Ich wünsche mir, dass sich das duale Modell auch an anderen Hochschulen durchsetzt. Gleichzeitig hoffe ich aber auch, dass die DHBW als Begründerin des dualen Modells mit ihren Ideen immer einen Schritt voraus ist. Wir sollten die Praxisnähe in Lehre und Forschung weiter zum Erfolg führen und innovativ weiterentwickeln. Das gilt sowohl für das Bachelor- als auch für das Masterstudium und die Weiterbildungsangebote der DHBW. Wir könnten zum Beispiel in den Bachelor-Studiengängen hinterfragen, ob das Zeitmodell noch aktuell ist. Wäre es vielleicht zielführender, wenn die Bachelor-Studierenden im dritten Studienjahr pro Woche zwei Tage Theorie an der Hochschule und drei Tage Praxis im Unternehmen erfahren? Wäre es möglich, auch im Bachelorstudium mehr Wahlmöglichkeiten zu schaffen? Das sind alles Überlegungen, die wir uns stellen müssen, um das duale Modell weiterzuentwickeln und auf Stand zu halten.
Ich hege aber auch noch einen anderen Wunsch. Nämlich, dass sich das duale Studienmodell in pädagogischen Studiengängen etabliert. Für die praxisnahe Ausbildung von Lehrkräften ist ein duales Studium genau das Richtige. Ob die pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg es jedoch schaffen würden, ein Modell der gleichen Art wie das der DHBW auszubauen, bin ich mir nicht sicher. Dualität bedarf nämlich einer engen Kooperation zwischen Partnern – bei der beide Seiten lernen, die Belange des anderen zu berücksichtigen.